Pfelgefinanzierung - ein Dauerbrenner

14.06.2018

Gastkommentar von Josef Senn, Mitglied des Schweizerischen Seniorenrates im Bündner Tagblatt vom 17. Mai 2018.

Im Jahre 2011 wurde neu geregelt, wie die Pflege im Alter finanziert werden soll. Zuständig dafür sind die Krankenkassen, die Versicherten und die Kantone. Bezüglich der Finanzierung der Pflege durch die Kantone hat sich seit dem Inkrafttreten der Neuregelung ein bunter Flickenteppich entwickelt. Das Gesundheitswesen ist bekanntlich Sache der Kantone. Weil damit ein gewisser Ermessenspielraum geschaffen wurde, liegen heute sehr unterschiedliche Lösungen vor. Vor allem bei den Beiträgen, welche durch die Versicherten geleistet werden müssen, sind die Unterschiede nach wie vor beträchtlich. Ein Beispiel dafür ist der Streit um die Übernahme der Restkosten, wenn Pflegebedürftige in ein Pflegeheim eines andern Kantons wechseln. Hier ist zwar auf Bundesebene eine Lösung getroffen worden. Aber zu befriedigen vermag sie nicht.

Die stetig steigenden Pflegekosten sind vor allem für die Kantone ein Problem. Sie müssen die Restkosten, die nicht durch die Krankenkasse oder den Versicherten erbracht werden, übernehmen. Wegen der demographischen Entwicklung steigen sie Jahr für Jahr. Zwei Aspekte sind in dieser Hinsicht zu erwähnen. Einerseits wird versucht, Pflegekosten als Betreuungskosten zu Lasten der Pflegebedürftigen zu verrechnen. Die Betreuungskosten gehen voll zu Lasten der zu Pflegenden. Anderseits sind die Beiträge der Krankenkassen an die Pflege seit 2011 nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen angepasst worden. Nebst einer gesamtschweizerischen Lösung für die Regelung der Übernahme der Restkosten durch die Kantone, sind auch die Beiträge der Krankenkassen an die Pflegefinanzierung neu zu regeln. Mindestens müssten sie regelmässig der Kostenentwicklung angepasst werden. Bei der Regelung der Pflegefinanzierung zeigt sich aber auch, ob die Solidarität in der Gesellschaft noch vorhanden ist. Wenn die öffentliche Hand aus Spargründen hier den Hebel ansetzt und die Meinungsmacher die Individualisierung der Gesellschaft, in der jeder nur noch für sich schaut, propagieren, kommen sicher die Schwächsten in unserer Gesellschaft zuerst unter die Räder. Angesichts der guten Jahresabschlüsse des Bundes, der meisten Kantone und vieler Gemeinden, sollte sich nicht in erster Linie die Frage der Steuersenkungen stellen. Vielmehr müssten jene Bereiche, die das Leben in Würde ermöglichen, besser alimentiert werden. Das betrifft vor allem Mitmenschen, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind. Absurd wird die Situation dann, wenn bei guten finanziellen Perspektiven gar Sparprogramme auf Vorrat bereitgestellt werden.

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen erhalten Ende Monat jeweils die Abrechnung für die erbrachten Leistungen der Institution, in der sie leben, ja aus gesundheitlichen Gründen leben müssen. Und diese Kosten sind nicht klein und bereiten vielen Betroffenen Sorge. Zudem zeichnet sich eine ungute Entwicklung ab. In Pflegeheimen entstehen gesamtschweizerisch jährlich ungedeckte Pflegekosten von schätzungsweise 250 bis 300 Millionen Franken. Darum fordert die „Interessengemeinschaft Pflegefinanzierung“ neue Lösungen, die aber nicht einseitig zu Lasten der Pflegebedürftigen ausfallen.

Josef Senn

Mitglied des Schweizerischen Seniorenrates