Sind Senioren ein Verkehrsrisiko?

19.01.2019

Nach dem Unfall von Prinz Philip (97) stellt sich diese Frage erneut.

Im betagten Alter ein Auto lenken – beim englischen Prinzen Philip ging das gerade nicht so gut aus. Aber sind Senioren allgemein eine Gefahr im Strassenverkehr? Diese Regelungen gelten in der Schweiz für ältere Auto-Lenkende.

Sein Unfall machte gerade Schlagzeilen: Mit seinen 97 Jahren setzte sich Prinz Philip selbst ans Steuer eines Autos und stiess mit einem anderen Wagen zusammen. Der Gemahl der britischen Königin Elizabeth II. kam mit dem Schrecken davon und erlitt selbst keine Verletzungen, zwei an dem Unfall beteiligte Frauen wurden mit kleinen Verletzung im Spital behandelt.

Die landläufige Meinung, dass Fahren im Alter ein Risiko für alle Verkehrsteilnehmer sind, wird durch die prominente Unfallmeldung gestützt. Aber sind Senioren im Strassenverkehr wirklich ein grösseres Risiko als andere Altersgruppen? «Bluewin» hat bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) in Bern nachgefragt.

«Senioren fahren seltener alkoholisiert, benützen öfter den Gurt und fahren kaum zu schnell» heisst es in einer schriftlichen Antwort. Das grösste Problem für Senioren im Strassenverkehr sei das Abbiegen an Kreuzungen. «Denn hierbei handelt es sich um komplexe Verkehrssituationen, die teilweise schnelles Reagieren erfordern. Ausserdem verursachen Senioren mehr Unfälle beim Parkieren.»

Das sagt die Unfallstatistik zum Thema Senioren

Vor allem als Fussgänger sind Senioren vom Unfallgeschehen betroffen. «Senioren über 75 Jahren machen die Hälfte aller getöteten Fussgänger aus, was unter anderem auch mit der zunehmenden Verletzlichkeit des Körpers im Alter zusammenhängt», schreibt die BfU in ihrer Antwort.

Als Autofahrende seien Senioren in der Unfallstatistik hingegen eher untervertreten. Etwa 10,2 Prozent aller im Strassenverkehr Getöteten gehen demnach auf das Konto von Unfällen, an denen Senioren über 70 Jahre als Lenkende eines Personenwagens beteiligt waren. Dabei seien 60 Prozent der Todesopfer die Lenkenden selber, 40 Prozent andere Unfallbeteiligte.

Zwischen 2013 und 2017 habe es mit Senioren ab 70 Jahre als hauptverursachenden PW-Lenker im Durchschnitt 1305 Unfälle pro Jahr mit mindestens einer verletzten (leicht oder schwer) oder getöteten Person gegeben sowie 292 Unfälle pro Jahr mit mindestens einer schwer verletzten oder getöteten Person. Die Tendenz sei leicht zunehmend, wobei festzuhalten ist, «dass es immer mehr Senioren im Strassenverkehr gibt.»

Wie lange dürfen Senioren ein Auto lenken?

Eine Altersgrenze, ab der Senioren nicht mehr selbst am Steuer eines Autos sitzen dürfen, gibt es in der Schweiz nicht. Allerdings müssen über 75-jährige Lenker und Lenkerinnen alle zwei Jahre zu einer ärtzlichen Kontrolluntersuchung. Der Bundesrat hat die Erhöhung des Alterslimits von 70 auf 75 Jahre erst Anfang des Jahres in Kraft gesetzt

Die BfU weist ausdrücklich darauf hin, dass «der Kontrollrhythmus auch verkürzt werden kann, wenn die verkehrsmedizinischen Mindestanforderungen nur knapp erreicht werden oder verkehrsmedizinisch relevante Erkrankungen bestehen.» Die Untersuchung muss zwingend bei einem Arzt oder einer Ärztin der Anerkennungsstufe 1 oder höher stattfinden.

Wie laufen ärztliche Fahreignungsuntersuchungen ab?

Senioren, die die Altergrenze erreichen, werden von der kantonalen Behörde per Brief aufgefordert, sich bei einem Arzt zu melden. Beim Untersuch werden sowohl der allgemeine Gesundheitszustand als auch verkehrsrelevante Funktionen – Sehtest, Hörtest, Reaktionstest – überprüft. Ausserdem macht sich der Arzt im Gespräch ein Bild über die psychische Eignung.

Wenn erforderlich werden Gedächtnisfunktionen (beginnende Demenz) und psychomotorische Fähigkeiten separat überprüft. Nach der Untersuchung schickt der Arzt die Resultate an die kantonale Behörde, welche allfällige Massnahmen von einer Kontrollfahrt bis hin zum Führerscheinentzug treffen kann.

Wann müssen Senioren ihre Billets abgeben?

Laut BfU-Auskunft müssen Senioren ihren Führerschein abgeben, wenn sie die medizinischen Mindestanforderungen nicht erfüllen. 

Nachtrag:

Nur zwei Tage nach seinem Verkehrsunfall hat Prinz Philip sich eine polizeiliche Rüge wegen Fahrens ohne Gurt eingehandelt. Zeitungen hatten am Samstag Fotos veröffentlicht, die den 97-jährigen Ehemann von Königin Elizabeth II. unangeschnallt am Steuer zeigten.

Eine Polizeisprecherin erklärte, die Fotos seien den Behörden bekannt. «Dem Fahrer wurden angemessene Ratschläge gegeben», erklärte sie. Dies sei das übliche Verfahren, wenn die Polizei auf ein derartiges Vergehen aufmerksam werde.

Der Unfall fachte in Grossbritannien eine Debatte über die Fahrtauglichkeit älterer Menschen an. In Grossbritannien läuft der Führerschein ab 70 Jahren aus, kann aber mit einem simplen Selbsteinschätzungstest erneuert werden. Amtlichen Angaben zufolge haben im Königreich mehr als 100'000 Senioren über 90 Jahren noch eine Fahrerlaubnis.

Der Ehemann der Queen ist ein leidenschaftlicher Autofahrer. 2016 liess er es sich nicht nehmen, das damalige US-Präsidentenpaar Barack und Michelle Obama während ihres Grossbritannien-Besuchs zusammen mit der Queen auf dem Anwesen von Schloss Windsor herumzufahren.

Von "www.bluewin.ch"