Einkommen der Senioren

21.01.2020

Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz über das frei verfügbare Einkommen älterer Menschen in der Schweiz.

Zusammenfassung

In der Schweiz besteht ein System der sozialen Sicherheit, bei dem niemand durch die Maschen fällt. Denn grundsätzlich haben alle fragilen Menschen in der Schweiz Zugang zu ambulanten und stationären Versorgungsnetzen, die Betreuung und Pflege anbieten. Diese Gesundheitskosten sind hoch und deshalb Inhalt vieler politischer Debatten. Die Ausgaben fallen aber auch für die betroffenen älteren Menschen stark ins Gewicht. Die Betreuung und die Pflege können oftmals nicht alleine mit dem Renteneinkommen finanziert werden. Die einen müssen darum ihr Vermögen aufzehren, die anderen Sozialtransfers beantragen.

Wie viel Geld steht im Alter zur freien Verfügung?

Bisher weiss niemand genau, wie viele finanzielle Mittel älteren Menschen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Deshalb legt diese Studie den Fokus auf die Rentnerhaushalte und dokumentiert umfassend und vergleichend, wie sich Betreuung und Pflege auf das individuelle Portemonnaie
auswirken. Die Methode des frei verfügbaren Einkommens (Haushaltseinkommen abzüglich Ausgaben plus Sozialtransfers) ermöglicht es, die finanzielle Situation der Rentnerinnen- und Rentnerhaushalte an verschiedenen Wohnorten zu vergleichen. Die Unterschiede zwischen den Kantonshauptorten sind frappierend – und das für alle untersuchten Falltypen. 

Rentnerhaushalte müssen viele Kosten selber tragen

Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass Rentnerinnen und Rentner bei exakt gleichen Ausgangsbedingungen je nach Wohnort unterschiedlich hohe Betreuungs- und Pflegekosten selbst zu tragen haben. Auch die frei verfügbaren Einkommen unterscheiden sich stark, weil viele Regelungen in der Gesundheitsversorgung, bei den Steuern und der sozialen Sicherheit kantonal und kommunal festgelegt sind.

Ergebnisse

Der Föderalismus sorgt für sehr grosse Unterschiede.

Das frei verfügbare Einkommen der Rentnerhaushalte ist je nach Wohnort – bei exakt gleicher wirtschaftlicher Ausgangslage und gleichem Unterstützungsbedarf – unterschiedlich hoch. Die Unterschiede beim verfügbaren Einkommen nehmen tendenziell mit höherem Einkommen und Vermögen zu und betragen für Personen im Pflegeheim bis zu 40’000 Franken pro Jahr. Aber auch bei  Rentnerinnen und Rentnern, die daheim leben, betragen die Unterschiede bis zu 33’000 Franken jährlich.

Selbstgetragene Betreuungs- und Pflegekosten kommen vor allem den Mittelstand teuer zu stehen.

Haushalte mit kleinem Renteneinkommen und wenig Vermögen können Ergänzungsleistungen beantragen, die die Betreuungs- und Pflegekosten beziehungsweise die Pflegeheimkosten grösstenteils übernehmen. Bei mittelständischen Haushalten hingegen fallen die selbstgetragenen Betreuungs- und Pflegekosten deutlich höher aus – und das Renteneinkommen reicht nicht aus, um die laufenden Kosten für das Pflegeheim zu decken. Dadurch werden diese Personen so lange ihr Vermögen aufbrauchen, bis ein Anspruch auf Sozialtransfers entsteht.

Betreuungskosten sind für viele Rentnerinnen und Rentner eine grosse finanzielle Belastung.

Die Ausgaben für Betreuung sind ein wichtiger Posten im Haushaltsbudget der untersuchten Haushalte. Sie fallen viel stärker ins Gewicht als die Kosten für die Pflege, die in der ganzen Schweiz von den Krankenkassen übernommen werden. Die Betreuungskosten müssen hingegen weitgehend von den Rentnerhaushalten selber getragen werden. 

Zu Beginn des Fragilisierungsprozesses tragen Rentnerinnen und Rentner viele Kosten selber. 

Am Anfang des Fragilisierungsprozesses benötigen ältere Menschen vor allem Betreuung, um ihren Alltag zu bewältigen, und nicht viel Pflege. In dieser Phase sind sie darauf angewiesen, die notwendige Betreuung selber finanzieren oder sich auf ein gutes familiäres oder nachbarschaftliches Netzwerk verlassen zu können, das sie tatkräftig unterstützt.

Das System der sozialen Sicherheit für ältere Menschen in der Schweiz ist (zu) komplex.

Rentnerinnen und Rentner, die auf Betreuung und Pflege angewiesen sind, müssen sich in einem komplexen System der sozialen Sicherheit zurechtfinden – oder vertrauenswürdige Personen kennen, die sie an der Hand nehmen. Für ältere Menschen kann diese Komplexität eine Hürde sein, ihre Rechte einzufordern. Die Folge ist, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt werden und Ungleichheiten noch grösser werden.

Dank den Forschungsarbeiten steht nun ein Simulationsmodell zur Verfügung, das für weitere Untersuchungen eingesetzt werden kann. Was das Modell jedoch nicht sichtbar macht, sind die vielen Stunden der Care-Arbeit, die familienangehörige, Freundinnen und Freunde, Nachbarn und Freiwillige in der Betreuung und Pflege älterer Menschen zusätzlich leisten. Ohne dieses unentgeltliche Engagement könnte das Schweizer Sozialsystem, insbesondere im ambulanten Bereich, so nicht funktionieren.

 

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